Tanzende Atome: Licht steuert das Verdrehungsverhalten in atomar dünnen Materialien

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Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie enthüllt ein bemerkenswertes Phänomen: Atome in ultradünnen Materialien tanzen als Reaktion auf Lichtimpulse und drehen und entdrehen sich wie synchronisierte Tänzer. Diese komplizierte Choreografie entfaltet sich blitzschnell – im Maßstab einer Billionstelsekunde – und ist für das bloße Auge unsichtbar und zu schnell, als dass herkömmliche wissenschaftliche Instrumente sie erfassen könnten.

Um dieses atomare Ballett aufzudecken, wandten sich Forscher der Cornell University und der Stanford University der ultraschnellen Elektronenbeugung zu. Diese hochmoderne Technik nutzt unglaublich kurze Elektronenstöße, die unmittelbar nach dem Auftreffen eines Laserimpulses auf eine Probe abgefeuert werden. Stellen Sie sich das wie eine Ultrahochgeschwindigkeitskamera vor, die bestimmte Momente während des Tanzes festhält. Durch die Analyse, wie diese Atomschichten die Elektronen streuen, können Wissenschaftler ihre Bewegung über die Zeit rekonstruieren.

Gegenstand dieser atomaren Leistung ist eine besondere Art von Material, die sogenannten Moiré-Materialien. Diese Materialien werden hergestellt, indem extrem dünne Schichten – nur wenige Atome dick – mit leichten Fehlausrichtungen übereinander gestapelt werden. Dieser scheinbar geringfügige Versatz erzeugt einzigartige Eigenschaften, die durch eine weitere Anpassung des Winkels zwischen den Schichten angepasst werden können.

„Stellen Sie sich vor, Sie stapeln zwei Blätter Papier mit einer leichten Drehung“, erklärt Jared Maxson, Professor für Physik an der Cornell University und Mitautor der Studie. „Durch die Art und Weise, wie sie sich überlappen, entstehen interessante Muster – Moiré-Muster – und diese Muster beeinflussen, wie sich das Material verhält.“

Diese Eigenschaften können so manipuliert werden, dass Materialien wie Supraleiter wirken – so dass Strom ohne Widerstand fließen kann – oder ungewöhnliche elektronische Verhaltensweisen erzeugen, was Türen für Innovationen in der Quantenelektronik und anderen Spitzentechnologien öffnet.

Bisher glaubten Wissenschaftler, dass die Struktur dieser Moiré-Materialien statisch blieb, sobald sie in einem festen Winkel gestapelt wurden. Diese bahnbrechende Forschung zeigt jedoch, dass die Atome in diesen Schichtstrukturen alles andere als starr sind. Stattdessen zeigen sie eine dynamische Bewegung, indem sie sich bei Lichteinwirkung kurzzeitig fester zusammendrehen, bevor sie zurückfedern, ähnlich wie eine zusammengedrückte Feder, die ihre Energie freisetzt.

„Dieser Befund stellt frühere Annahmen in Frage“, fügt Fang Liu, Projektleiter in Stanford und Mitautor, hinzu. „Wir haben gesehen, dass die Atome in diesen Moiré-Elementarzellen fast wie ein Kreistanz tanzen.“

Der Erfolg dieses Experiments hing sowohl von der Entwicklung spezieller Materialien durch Lius Team in Stanford als auch von Cornells selbstgebautem ultraschnellen Elektronenbeugungsinstrument ab, das mit einem hochempfindlichen Detektor namens EMPAD ausgestattet war.

Das EMPAD, das ursprünglich für die Aufnahme von Standbildern konzipiert war, wurde in dieser Studie zu einer unglaublich schnellen Kamera umfunktioniert, die in der Lage ist, diese flüchtigen atomaren Bewegungen zu erfassen. „Die meisten Detektoren hätten das Signal verwischt“, sagt Maxson. „Mit dem EMPAD konnten wir unglaublich subtile Merkmale erkennen, die leicht hätten verloren gehen können.“

Diese gemeinsame Anstrengung markiert einen bedeutenden Meilenstein in unserem Verständnis von Moiré-Materialien. Es demonstriert die Leistungsfähigkeit der ultraschnellen Elektronenbeugung zur Visualisierung nanoskaliger Phänomene und eröffnet spannende Möglichkeiten zur Manipulation des Quantenverhaltens in Echtzeit mithilfe von Licht. Zukünftige Experimente werden untersuchen, wie unterschiedliche Materialien und Verdrehungswinkel auf Lichtimpulse reagieren, und so den Weg für potenziell revolutionäre Fortschritte in Bereichen ebnen, die von der Supraleitung bis zum Quantencomputing reichen.